Wer kennt Wieland?

Workshop zum 200. Todestag von Christoph Martin Wieland an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

14. Januar 2013

„Es war ein schöner Herbstabend im Jahr 177*; ich befand mich allein in dem obern Stockwerk meiner Wohnung und sah – denn ich schäme mich nicht zu bekennen, wenn mir etwas menschliches begegnet – vor langer Weile zum Fenster hinaus; denn schon seit vielen Wochen hatte mich mein Genius gänzlich verlassen. […] Kurz, ich fühlte meinen Zustand, und er lag schwer auf mir; ich schüttelte mich vergebens; und es war, wie gesagt, so weit mit mir gekommen, daß ich durch ein ziemlich unbequemes kleines Fenster in die Welt hinaus guckte, ohne zu wissen was ich sah, oder etwas zu sehen, das des Wissens werth gewesen wäre. Auf einmal war mir, als höre ich eine Stimme -  ob es Wahrheit oder Täuschung war, will ich nicht entscheiden – die mir zurief: setze dich und schreibe die Geschichte der Abderiten! Und plötzlich ward es Licht in meinem Kopfe. Ja, ja, dachte ich, die Abderiten will ich schreiben! Wie war es doch möglich, daß mir ein so natürlicher Einfall nicht schon längst gekommen ist? Und also setzt ich mich und schreib, und schlug nach, und compilierte, und ordnete zusammen, und schreib wieder, und es war eine Lust zu sehen, wie mir das Werk von den Händen gieng.“

Diese kurze Erzählung der Entstehung der „Geschichte der Abderiten“ charakterisiert den Autor Christoph Martin Wieland auf eine selbstironische Art und Weise. Nicht nur stellt er sich als Autor dar, der in Zeiten des aufkommenden Geniekultes vom Genius verlassen scheint und gelangweilt am Fenster sitzt. Auch zeigt sich in dem Zitat seine Vertrautheit mit der Antike, die er oft zur Quelle seines Schreibens macht und in die Gegenwart überträgt. So ist Sinn und Zweck seiner Erzählung eigentlich die Verteidigung gegen seine Kritiker, die sich in dem satirischen Roman wiedergefunden zu haben glaubten. Kenner von Wielands Werk erscheint diese Selbstdarstellung als äußerst bescheiden, denn Wielands Bedeutung für die deutsche Literatur wird noch immer unterschätzt. So war er unter anderem der erste Dichter eines deutschen Dramas in Blankversen, der erste Übersetzer Shakespeares in Deutschland, der Begründer des modernen deutschen Entwicklungsromans, der Theoretiker und Librettist der ersten modernen deutschen Oper, der Gründer und Herausgeber der dauerhaftesten und erfolgreichsten allgemeinen Kulturzeitung der deutschen Literaturgeschichte und einer der einflußreichsten journalistischen Beobachter und Analytisker der politischen Entwicklungen in Frankreich während der Revolution, ein Bahnbrecher in der Entwicklung des historischen Romans, der Vorläufer der deutschen Klassik und in den Augen seiner englischen Kollegen einer der ersten großen Romantiker (Thomas C. Starnes, Wieland-Studien 5, S. 2f.).


Einen kleinen Einblick in das Werk Christoph Martin Wielannds möchte der anlässlich des 200. Todestages von Wieland stattfindende Workshop mit langjährigen Wieland-Forschern geben.

Interessierte sind herzlich zur Teilnahme eingeladen! Eine Teilnahmegebühr wird nicht erhoben.

Programm

14.30-15.30 Uhr PD. Dr. Jutta Heinz (Jena):
Wieland und die Französische Revolution

15.30-16.30 Uhr PD. Dr. Matthias Bickenbach (Köln)
Hippokrates bei Demokrit. Das zweite Buch der "Abderiten"

Kaffeepause

17.00-18.00 Uhr Prof. Dr. Klaus Manger (Jena)
Schauspielfieber in Abdera. Das dritte Buch der "Abderiten"

18.00- 19.00 Uhr Dr. Andrea Schütte (Bonn)
Der Zuschnitt der Aufklärung: incisio und decisio in Wielands "Comischen Erzählungen"

Veranstaltungsort
Forschungszentrum der Philosophischen Fakultät Geb. 23.21, Raum 44B

Anreise per Bahn
Vom Hauptbahnhof Düsseldorf fährt die U-Bahnlinie 79 direkt zur Universität (Fahrtrichtung Universität, Haltestelle "Uni-Ost/ Botanischer Garten" (Endhaltestelle)). Fahrzeit vom Hbf ca. 15 Minuten. Die Haltestelle "Uni-Ost/Botanischer Garten" ist im Lageplan der Universität eingezeichnet:

Größere Kartenansicht unter: Google Maps

Kontakt
Dr. Miriam Seidler, Institut für Germanistik II